Im Jahr 1980 wurde Roelien allmählich taub. Nachdem eine CT-Untersuchung eine kleine Anomalie in ihrem Gleichgewichtsnerv ergeben hatte, wurde sie an einen Spezialisten überwiesen. Nach einer weiteren CT-Untersuchung wurde bei ihr ein gutartig(er) Tumor im pontozerebellären Winkel diagnostiziert. Während ihr Hausarzt die Situation als nicht dringlich einstufte, vertrat der Neurochirurg eine andere Meinung und bestand darauf, dass aufgrund der erheblichen Risiken eine Operation dringend erforderlich sei.
Am 19. Januar 1981 unterzog sich Roelien der Operation. Die Operation verlief gut, aber der Pathologiebericht ergab, dass es sich nicht um einen pontozerebellären Winkeltumor, sondern um ein Chordom handelte - ein seltener, aber laut Neurochirurg Dr. Pondaag gutartig(er) embryonaler Knochentumor, der häufig wiederkehrt. Infolgedessen benötigte sie eine jährliche MRT-Untersuchung. Damals gab es nur wenige Informationen, und die Krankheit war noch kaum erforscht. Roelien hatte keinen Zugang zum Internet, um sich zu informieren, und verließ sich daher ganz auf ihren Arzt. Durch beharrliches Nachfragen erhielt sie die entscheidenden Informationen, die sie brauchte, um Entscheidungen über ihre Behandlung zu treffen.
Nach fünf Jahren war das Chordom nicht nur zurückgekehrt, sondern hatte sich auch verlagert und war gewachsen. Eine weitere Operation wurde für notwendig erachtet, und wie zuvor wurde der Tumor von hinten angegangen. Roelien erkundigte sich nach den Risiken, die sich als dieselben wie beim letzten Mal herausstellten. Glücklicherweise verlief der Eingriff wie bei der ersten Operation gut, und innerhalb einer Woche war sie wieder zu Hause bei ihrem Mann und ihren vier kleinen Kindern.
Leider kehrte der Tumor sechs Jahre später erneut zurück. Diesmal beschlossen die Ärzte, ihn von vorne anzugehen. Die Operation verlief relativ gut, aber Roelien litt unter leichten Lähmungen und Taubheitsgefühlen auf der linken Gesichtshälfte aufgrund einer leichten Schädigung des Trigeminusnervs. Zwei Jahre später war eine weitere Operation erforderlich, um die bei der vorherigen Operation implantierten Schrauben und Platten zu entfernen. Allerdings konnte nicht alles entfernt werden, so dass ein weiterer Eingriff erforderlich wurde.
Trotz dieser Herausforderungen bewahrt Roelien eine unglaublich positive Einstellung und ist dankbar für ihre Widerstandsfähigkeit, die ihr hilft, mit dem wiederkehrenden Chordom und seinen Folgen fertig zu werden. Ihr Glaube ist eine wichtige Kraftquelle. Nach der ersten Diagnose war sie als junge Mutter mehrere Tage lang sehr emotional. Trost fand sie jedoch in Psalm 27,7:
"Wenn ich nicht geglaubt hätte, dass meine Seele in diesem Leben Gottes Gunst und Hilfe genießen würde, mein Gott, wo wäre meine Hoffnung, mein Mut geblieben? Ich wäre zugrunde gegangen in all meinem Kummer und meiner Trauer."
Von diesem Moment an spürte sie Akzeptanz und Zuversicht, dass alles gut werden würde. Bemerkenswerterweise kehrte dieses Gefühl des Friedens vor jeder Operation zurück.
Im Jahr 2007 tauchte der Tumor erneut auf und schien langsam zu wachsen. Zu diesem Zeitpunkt war eine Operation aufgrund des übermäßigen Narbengewebes und der Schäden durch frühere Operationen zu riskant. Der Arzt schlug eine Protonenbestrahlung vor, konnte aber nicht auf alle Fragen von Roelien eine klare Antwort geben. Entschlossen wandte sie sich an das Paul Scherrer Institut (PSI) in der Schweiz und arrangierte selbst eine Protonentherapie mit 35 Bestrahlungen.
Das PSI organisierte eine Unterkunft für ihren Aufenthalt. Roelien brachte ihr Fahrrad mit, damit sie sich fortbewegen und Besorgungen machen konnte. Obwohl die Bestrahlung zu starker Müdigkeit führte, gewann sie bald wieder Energie und konnte wieder Auto fahren. Sie musste mit ihrer Versicherung kämpfen, um alles erstattet zu bekommen, und sie betont, wie wichtig es ist, in solchen Situationen für sich selbst einzutreten. Sie wird für den Rest ihres Lebens jährliche MRT-Untersuchungen benötigen.
Im Oktober 2007 erhielt Roelien ein Schreiben des PSI, das an ihren behandelnden Arzt in den Niederlanden gerichtet war. Darin hieß es, dass das PSI aufgrund der radiologischen Untersuchungen davon ausging, dass es sich bei dem Tumor um ein Chondrosarkom, eine seltene Form von Knorpelkrebs, und nicht um ein Chordom handelte. Diese Diagnose wurde später durch die pathologische Untersuchung von Tumorgewebe aus einer früheren Operation bestätigt. Das war eine gute Nachricht, denn die Prognose für Chondrosarkome ist deutlich besser, und eine Protonenbestrahlung bietet eine größere Chance auf eine dauerhafte Tumorkontrolle.
Leider waren ihre Herausforderungen damit noch nicht beendet. Im Jahr 2008 musste sie sich einer Operation zur Entfernung eines gutartigen(e) Brusttumors unterziehen. Anfang 2009 hoffte sie, dass es keine weiteren Rezidive geben würde. Doch im Februar desselben Jahres begann sie mit häufigem Erbrechen und starken Kopfschmerzen. Die Ärzte stellten eine erhebliche Blutung im Bereich des Kleinhirnwinkels fest. Innerhalb einer Woche erlitt sie eine zweite Blutung.
Aufgrund der umfangreichen Strahlenbehandlungen wurde Roelien auf dem linken Ohr vollständig taub. Glücklicherweise fand sie in einem Hörzentrum eine effektive Lösung. Mit dem CROS-System werden Töne von ihrer linken Seite auf ihr rechtes Ohr übertragen. Mit dem Phonak ComPilot um ihren Hals kann sie die Nachrichten im Fernsehen verfolgen. Darüber hinaus nutzt sie das Belman Weck- und Alarmsystem für praktische alltägliche Bedürfnisse, wie z. B. das Hören der Haustürklingel. Diese Hilfsmittel verbessern ihre Lebensqualität erheblich, und alles wird von der Versicherung übernommen.
In den vergangenen 42 Jahren hat Roelien große Herausforderungen gemeistert. Ihr Mann und ihre Kinder haben sie dabei stets unterstützt, und ihr Glaube ist unerschüttert geblieben. Sie bewahrt sich eine positive und dankbare Einstellung, obwohl sie weiß, dass jeder Mensch ein Ventil braucht. Für Roelien ist dieser Ausweg ihr Garten. Er ist ihr Therapeut - ein Ort des Friedens und der Schönheit, aber auch ein Ort, um Traurigkeit oder Frustration zu verarbeiten. Sie ist nach wie vor sehr aktiv, kümmert sich um ihren Garten, besucht ältere Menschen, engagiert sich in ihrer Kirchengemeinde und sammelt Spenden für wohltätige Zwecke.
